Oha – mein erstes Seminar mit Baby

In dieser Woche stand mal wieder mein Seminar „Methodenwerkstatt für Organisationsberater“ auf der Agenda. Das ist ein anspruchsvolles Thema. Und auch die Teilnehmer und Teilnehmerinnen erwarten einiges: Gestandene Berufspraktiker finden sich hier selbstbestimmt und selbstfinanziert zu einer zweijährigen Ausbildung zusammen. Dieses Mal erwarteten mich nicht nur 12 neugierige Erwachsene, sondern auch der vier Monate alte Jakob im Seminar. Da war sie nun also ganz präsent: die Frage nach der Vereinbarkeit von Beruf und Familie.

Ein Baby im Training –  was nun?

Ein Baby im Seminar –  kann das gut gehen? Bedeutet so ein zappelnder kleiner Zwerg nicht eine permanente Ablenkung für seine Mama, die anderen Teilnehmer und für mich als Trainerin? Was muss ich ändern und beachten im Hinblick auf den zusätzlichen Gast? Meine Fragen und Sorgen erwiesen sich nicht nur als vollkommen unbegründet. Was noch viel spannender war: die Anwesenheit von Jakob schafft in dieser Gruppe eine ganz besondere Lernatmosphäre. Selten habe ich so viel Achtsamkeit, Zusammenhalt und Verständnis in einer Seminargruppe erlebt. Jakobs Mama konnte wie alle anderen mitgestalten. Wenn sie die Moderation einer Arbeitsphase übernehmen wollte, sprang eine Kollegin oder ein Kollege ein, die in der Zwischenzeit das Baby hielten. Jakobs Beiträge zu unseren Diskussionen gehörten ganz selbstverständlich dazu. Der kleine Mann war dabei vollkommen tiefenentspannt und machte alles, was man in seinem Alter so tut. Ich verstand, dass Jakob nicht „Gast“, sondern Teil dieser Gruppe ist. Er ist kein Maskottchen, sondern gehört einfach ins Team.

Vereinbarkeit von Beruf und Familie?

Mich haben diese zwei Seminartage sehr beindruckt. Bitte verstehen Sie mich nicht falsch. Ich plädiere hier nicht für Krabbelecken in jedem Büro. Und ich bin auch sehr dafür, dass kleine Menschen in Ruhe groß werden können und ihre Bedürfnisse Vorrang haben. Doch dieses Beispiel zeigt mir, dass es an uns liegt, die Fragen anders zu stellen. Die Diskussion um die Vereinbarkeit von Beruf und Familie impliziert ja, dass es um das Vereinbaren von Gegensätze ginge. „Vereinbarkeit von Beruf und Familie“ –  das klingt wie Vereinbarkeit von Essig und Öl, von Feuer und Wasser. Die Antworten laufen dann auf irgendwas mit Kompromiss, Toleranz und Verzicht hinaus. Und genauso erleben es die beteiligten Menschen ja auch. Ich kann mich selbst noch gut an meine Zeit als Mutter eines Kleinkindes in Management-Verantwortung erinnern. Das schlechte Gewissen war immer präsent…

Andere Fragen – überraschende Antworten

Wie wäre es, wenn wir stattdessen danach fragten, wie kleine und große Menschen zusammen leben und arbeiten können? Schließlich sind sie in 20 Jahren sowieso Kollegen  😉 Vielleicht würden wir andere, neue und spannende Antworten finden. Stellen Sie sich nur mal kurz vor, eine neue Unternehmensstrategie würde erst dann umgesetzt, wenn sie den Kindern der Mitarbeiter plausibel vermittelt wurde. Wer schon einmal Erwachsenenthemen Kindern erklärt hat, weiß: das funktioniert nur, wenn man selbst die Sache zu 100% verstanden hat und überzeugt ist. Und neben der richtigen Übersetzung braucht es vor allem eines: eine wertschätzende Haltung. Schauen Sie doch mal wieder „Wissen macht Ah!“ mit Shary und Ralph. Die beiden sind nicht nur Fernseh-Profis, sie kommunizieren mit kleinen Menschen vor allen Dingen auf Augenhöhe. (Wenn Sie Lust haben, sich die Welt erklären zu lassen: Hier ist der Link zur Mediathek mit allen Folgen von „Wissen mach Ah!“. http://bit.ly/2rJZZC5)

Neue Fragestellungen brauchen Mut. Auch Jakobs Mama war mutig: sie wagte das Experiment, ohne zu wissen, wie ihr Kind und die Menschen um sie herum wohl reagieren würden. Die Gruppe ließ sich darauf ein und hat sehr profitiert. Sie werden Jakob wohl vermissen, wenn er in ein paar Wochen mit seinem Papa in Familienzeit geht. Für mich hat sich wieder einmal bestätigt: die Zukunft ist schon da, sie ist nur noch nicht so weit verbreitet…

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